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Wolfgang Beck und Stefan Kindel – Im Dialog

15. Dezember 2019 – 23. Februar 2020:

Seit einiger Zeit finden sich der Maler und Bildhauer Wolfgang Beck (geb. 1957, lebt und arbeitet in Weingarten/Pfalz und Donsieders) und der Fotograf und Zeichner Stefan Kindel (geb. 1961, lebt und arbeitet in Maikammer) zu Ausstellungen zusammen und stellen ihre Gemälde und Fotos in einen Dialog zueinander. Denn im malerischen Blick zeigen die beiden Medien Gemeinsamkeiten und Überschneidungen, öffnen aber auch die Wahrnehmung für Unterschiede. Becks und Kindels Werke entstehen unabhängig voneinander und weisen doch überraschend ähnliche Strukturen auf, als ob sie sich gegenseitig inspiriert hätten. So begegnen sich im Dialog die weiten Landschaftsassoziationen, die Beck fern einer konkreten Abbildung in zahllosen Farbschichtungen, mit gestischem Duktus und intensiver Farbgebung auf der Leinwand entfaltet, mit den Detailaufnahmen Kindels. Diese wirken aus ihrer Umgebung losgelöst wie abstrahierte Landschaften oder konstruktivistische Kompositionen und offenbaren sich erst auf den zweiten Blick als Fotografien. Für ihre Schau in Kleinsassen werden beide Künstler erstmals auch ihr bildhauerisches bzw. zeichnerisches Werk einbeziehen und ihren Dialog um das Thema der menschlichen Figur erweitern.

„By the way“ – unterwegs und beiläufig – entdeckt der Fotograf Stefan Kindel Motive von besonderem malerischem Reiz und fotografiert sie mit seiner Kamera oder auch nur schnell mit dem Handy. Damit sind nicht etwa ausgedehnte Landschaften oder vollständige Objekte im räumlichen Kontext gemeint, sondern ausschnitthafte Aufnahmen von Lichterscheinungen am Himmel, von Beschriftungen und Farbflächen, von bröckelndem Putz mitsamt Leitungen und Mauerwerk einer Hauswand, von rostendem Eisen, von Ausbesserungen und Markierungen auf Asphalt. Aus ihrer Umgebung losgelöst, wirken sie wie abstrakt-geometrische oder informelle Malerei und offenbaren sich erst auf den zweiten Blick als Fotografien begrenzter Bereiche. „By the way“ entdeckten Stefan Kindel und der Maler Wolfgang Beck bestechende strukturelle und motivische Ähnlichkeiten ihrer Werke, als ob sich Fotografien und Gemälde gegenseitig inspiriert hätten. Beck malt zwar weite Landschaften, doch er entwickelt sie auf der Leinwand assoziativ und fern jeder realistischen Abbildung, in einer reduzierten, bisweilen fast gegenstandslosen Formensprache. In vielen Farbschichten und mit freier, bewegter Pinselführung vermittelt er seine Naturerlebnisse: Himmel und Wasser, Wolken und Licht, Ebenen und Berge. Und er fokussiert dabei auch auf ein bestimmtes Motiv in einem ausschnitthaften Umfeld, zum Beispiel eine Bergsilhouette gleichsam im Farbenmeer. Wie ein schwarzes S durchzieht ein Wasserlauf Becks winterliche Parklandschaft. Als ähnliches schwarzes S zeichnet sich eine Reparatur auf einem Boden ab, fotografiert von Kindel. Unabhängig voneinander entstehen die Arbeiten beider Künstler und erzwingen doch einen Dialog.

Im Lauf der Vorbereitungen zur Kleinsassener Ausstellung hat sich dieser Dialog sehr bewusst um das bildhauerische Werk Wolfgang Becks und um Zeichnungen Stefan Kindels erweitert und vertieft. Voll Leidenschaft experimentiert Beck mit Holz, Eisen und Eisenguss im Bemühen, beide Materialien konstruktiv miteinander zu architekturaffinen Gebilden zu verbinden oder in reliefhaft-zeichnerischen Objekten miteinander zu verschmelzen. Auch hier ergeben sich Parallelen zu Kindels Fotografien, neue Gemeinsamkeiten zeigen sich: zum einen die Freude an korrodierten Oberflächen, an denen sich Licht bricht, an filigranen Strukturen und brillanten Farbnuancen, zum anderen das Interesse an porösen, lockeren Farbschichten bzw. lasierenden Farbaufträgen, sei es auf Holz, sei es an fotografierten Wänden, und schließlich das weitergehende Interesse an Markierungen und einfachen Zeichen. Nicht das Schöne, Glatte, sondern das Brüchige, Rauhe fasziniert Bildhauer und Fotograf gleichermaßen. Wenngleich sehr reduziert, so gehören stelenartige, menschliche Figuren zu Becks Kunstschaffen und besetzen zeichenhaft den Raum. Zwar entziehen sie sich einer klaren Ausdeutung, können aber eine gewisse Spiritualität nicht verleugnen. Und auch wenn Becks Kreuzformen aus Eisen und Holz nicht in einen kirchlichen Kontext gehören, sondern für ihn „nur“ Zeichen sind: Symbole sind sie allemal, und Religiöses wird zumindest tangiert. Schon dem komplexen Entstehungsprozess haftet eine Auseinandersetzung mit Werden und Vergehen an, mit der Gewalt des Feuers und dem Wunsch, mit flüssig-glühendem, aufflammendem Eisen Zeichnungen im Holz einzubrennen und zu verewigen.

Dagegen lesen sich Kindels Fotografien zunächst als Informationen des Alltäglichen, als Muster und Ornamente, gesehen „by the way“. Sie sind dokumentarische „Fundstücke“ von besonderer Ästhetik hinsichtlich Form und Farbe und scheinbar frei von belastenden Fragen nach tiefen Bedeutungsebenen. Es sei denn, man entdeckt Kindels Vorliebe für Altersspuren und Morbidität. Diese offenbart sich auch in seinen jüngst entstandenen Zeichnungen von Weinranken. Nicht junge Triebe sind zu sehen, sondern die alten, holzigen Rankenreste, von denen Triebe bereits entfernt wurden und die fast morsch und dennoch „trotzig“ die Drähte umwinden und sich an ihnen festklammern. Akribisch hat Kindel alle Details gezeichnet und aus einem feinnuancierten dunklen Grund herausgearbeitet. Doch wie bei seinen Fotografien zeigt er kein räumliches Kontinuum, sondern einen Ausschnitt und verleiht damit diesen Darstellungen einen sinnbildhaften Charakter. Intensiver könnte – formal wie inhaltlich – der Dialog mit Becks Eisenzeichnungen kaum sein: Für diesen Ausstellungsbereich haben beide Künstler kongenial aufeinander zu gearbeitet.

Beck und Kindel geht es um weit mehr als um äußerliche Ähnlichkeiten, es geht um Wesentliches ihres Schaffens und ihrer Kunst. Und sie nehmen gern den Betrachter mit hinein in den Dialog, in ihre Unterredung ohne Worte, aber mit ausdrucksstarken Werken.
Dr. Elisabeth Heil, Kuratorin

Flyer zum Download: