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Roland Stratmann – W E L T L Ä U F I G

12.12.2021 – 27.02.2022

Konzeptkunst, geistreich und vom Erscheinungsbild überzeugend? Roland Stratmann gelingt dies in einer ganz eigenen, beeindruckenden Manier. Seine Projekte bestechen inhaltlich wie formal. Vorgefundenes transformiert die gestaltende Hand des Künstlers zu etwas Bewegendem, das Geschichte, Nachdenken, Witz und erkennendes Lachen in sich trägt und dabei auf künftiges bewussteres Handeln abzielt. Ein bedeutender Teil des Oeuvres basiert auf Sammlungen von Postkarten, beschrieben und tatsächlich gelaufen und von Stratmann einem historischen, sozialen oder geographischen Kontext zugeordnet. Nicht die Bild-, sondern die Textseiten interessieren den Künstler, wenn er sie zu großen Tableaus zusammensetzt. Der knappe Platz der Postkarten zeitigte oft genug skurrile Botschaften und Grüße, die für sich genommen an Banalität oder Absurdität kaum zu überbieten sind, aber auch Hintergründiges offenbaren. Einen solchen Ausspruch greift Stratmann jeweils auf und überzieht damit das Tableau der vielen Karten – wie eine Überschrift, wie ein Motto, pars pro toto als Äußerung einer ganzen Epoche, entlarvend und mahnend zugleich. Hinzukommen Zeichnungen, die das Gelesene kongenial ausdeuten und erweitern, auch konterkarieren und sich zwischen Postkartentext und Aufschrift einschieben. Gedanklich und arbeitstechnisch vielschichtig werden gesellschaftsrelevante Themen vorgetragen: Urlaubsgebaren und Weltwirtschaft, Krieg, Migration und unser Miteinander. Mit freiplastischen Werken steigert Stratmann seine Aussagen ins Dreidimensionale, holt sie als Gegenüber in den Raum. Ob Hirsch oder Rhinozeros, geformt und mit Textilien bedeckt, oder menschliche Figuren, immer scheinen inhaltliche Bezüge zu den Postkartenwerken auf. Und gelegentlich seziert Stratmann auch lustvoll die Bildseiten der Ansichtskarten, schneidet chirurgisch präzise ein Motiv aus, klappt es geisteswitzig auf das Bild einer zweiten Postkarte, um im Ausschnitt der ersten einen Blick auf eine dritte Karte darunter zu öffnen. Vielschichtigkeit und neue sinnreiche Bezüge auch hier – und stets der ebenso erhellende wie vereinnahmende Eindruck einer Kunst von Weltläufigkeit!

Roland Stratmann wurde 1964 geboren. Nach einer Ausbildung zum Retuscheur studierte er 1984-1990 Freie Bildende Kunst an der Universität der Künste Berlin. Es folgten viele Arbeitsaufenthalte im Ausland. Er lebt und arbeitet heute in Berlin.

Fotos: © Roland Stratmann und VG Bild Kunst, Bonn)