Studioausstellung vom 07.11.2021 – 10.12.2021
Als 1979 die Kunststation Kleinsassen gegründet wurde, sollte hier vor allem ein Ort gemeinsamen künstlerischen Tuns entstehen, das professionelle Künstler und Laien gleichermaßen einbezog. Der Künstler Jürgen Blum bezog das alte Schulhaus, unterrichtete Malerei und Zeichnung, organisierte Ausstellungen und erregte mit Kunstaktionen und Objektkunst Aufsehen.
Zu dem Kreis, den Jürgen Blum als Lehrer, Mentor und Freund förderte und nachhaltig inspirierte, gehörte Paul Völker. 1954 geboren, hatte Paul Völker nach dem Abitur zunächst eine Ausbildung zum Zahntechniker erfolgreich abgeschlossen. Offenkundiges handwerkliches Geschick verband sich bei ihm mit einem starken Interesse an bildender Kunst. Schon seit 1975 hatte er Unterricht bei Jürgen Blum genommen und rasch eine eigene Art der Landschafts- und Ortsansichten als Mischtechnik von Aquarell- und Ölmalerei entwickelt. Die Qualität seiner frühen Werke erstaunte und machte bereits 1980 eine Schau im ersten Ausstellungsraum in Kleinsassen möglich, in der legendären „VHS Galerie im Stall“. Die kleine Landschaft, die im Vorraum über dem Heizkörper hängt, war damals auch zu sehen.
Fotos: Lothar Reichardt
Wie sein Mentor Jürgen Blum wandte sich Paul Völker auch der Aktions- und Objektkunst zu, irritierte und erstaunte mit gefüllten Netzen in der „Galerie im Wald“ 1980, der Aktion „Peitschengraphik“ zur Kunstwoche 1981 und der Zusammenschau zeitgenössischer Objektkunst im „Art Cabaret“ wieder in der Galerie im Stall (u. a. mit Fett à la Josef Beuys im Futtertrog) während der Kunstwoche 1982. Und er half Jürgen Blum bei dessen Projekten, z. B. 1981 beim Aufrichten des „Denkmal für Platon“ (Bleistift). Hiervon berichten die Photographien in der Tischvitrine.
Paul Völkers weiterer Lebensweg wurde von psychischen und körperlichen Erkrankungen überschattet. Aktions- und Objektkunst fehlen später, doch es
entstehen bis zu seinem frühen Tod 2019 schier unzählige Malereien, die seine Hinwendung zur Rhön und ihren Orten, vor allem zu seinem Lebensmittelpunkt Rasdorf, bezeugen. Sie haben zahlreiche Liebhaber und Sammler gefunden. Im Nachlass des Künstlers finden sich jedoch auch andere interessante, eindrückliche und dabei nur selten oder nie gezeigte Werke: Es sind Akt- und Porträtstudien, mal expressiv, mal humorvoll, mal lyrisch-zart gestimmt. Und es sind kraftvolle Experimente und Auseinandersetzungen mit der Landschaftsmalerei, die in den vom Künstler so genannten „Farbcollagen“ oder in vehementen, „action“-getriebenen Arbeiten münden.
Paul Völker hat seine freien Arbeiten gelegentlich signiert. Datierungen oder Titel sind höchst selten zu finden. Die Ausstellung „Erinnerungen“ will nichts nachträglich hinzufügen. Die Werke eingehend zu betrachten, führt von selbst in die künstlerische Welt des Paul Völker und offenbart die Intensität seines Schaffens. Schon 1980 bemerkte Jürgen Blum anlässlich der Vernissage: „Man muss zu dieser Ausstellung kaum etwas sagen, die Bilder sprechen für sich“. Sie tun es noch immer.
Text:
Dr. Elisabeth Heil
Kuratorin der Kunststation Kleinsassen