9. März bis 1. Juni 2025
Während Fotografien im begrenzten Ausschnitt alle Details gleichermaßen erfassen, nehmen wir selbst im selben Ausschnitt der Wirklichkeit einzelne Bereiche selektiv wahr. Unsere Augen wandern, konzentrieren sich auf einige Partien und überfliegen andere. Sie können im Schatten oder in der gleißenden Helligkeit manches gar nicht erkennen. Emil Sorges Kunstschaffen basiert auf Fotografien von Stadtlandschaften, besonderen Architekturen, Naturimpressionen aus aller Welt. Er bedient sich der Szenerien, um zuerst in Gouachen zu übertragen, was er als wichtige Elemente und Strukturen erkannte. Hierzu nicht Notwendiges wird dabei nur angedeutet oder ausgelassen. So gibt er der Wahrnehmung des Fotomotivs die ursprüngliche Lebendigkeit zurück. Licht und Schatten wirken nun als Bildereignisse mit, die Teile herausstellen oder unsichtbar machen. Da der Künstler seine Gouachen auf Papiercollagen anlegt, erweckt er einen haptischen Eindruck, der sich dem seiner großen Holzschnitte annähert. Denn von den Gouachen ausgehend, überträgt Sorge seine Bildfindungen auf Holzplatten und arbeitet sie als Reliefs aus. Er fasst sie farbig und druckt sie oft einmal auf eine Leinwand, wodurch er ein gleich detailreiches, aber spiegelbildliches Werk gewinnt. Die menschliche Figur tritt nur als kleiner Akteur, als Staffage, im Stadtbild auf und wird selbst nicht zum Thema der Darstellung. Doch Sorges Stadt- oder Architekturimpressionen in oft monumentaler Größe beziehen die Betrachtenden selbst in das Erlebnis der Häusermeere, Wolkenkratzer und einzelner Gebäude ein – um so mehr im Gegenüber zu den spiegelbildlichen Darstellungen.
In der Ausstellung treten zudem Holzskulpturen von Frank Leske hinzu. Im Vordergrund seines Schaffens steht der menschliche Körper und dessen Ausdruck in Bewegung. Sehen wir Menschen im Gegenlicht, erscheinen sie uns silhouettenhaft. Wir erahnen ihren Körper, können mitunter die Umrisse der Gestalt nur gebrochen erkennen. Manchmal scheint starkes Licht in Körper einzudringen, sie zu durchbrechen. Frank Leskes Geschöpfe ähneln solchen Erscheinungen. Er bedient sich einer sehr reduzierten, abstrakten Formensprache. Aus dem Holzstamm arbeitet er keine kompakten Körper aus, sondern führt die Kettensäge z. B. im Kreuzschnitt, bei dem die eine Seite in horizontaler und die andere Seite in vertikaler Richtung strukturiert wird. So entstehen gitterartige Durchblicke, die sich beim Umschreiten der Figuren verändern, auch schließen und wieder öffnen. Leskes Figuren erscheinen so aus bestimmten Blickwinkeln wie vom Licht durchbrochen. Gelegentlich verleiht der Bildhauer seinen Skulpturen eine Oberfläche, die an aufgebrochene Erdschollen erinnert, und mitunter kombiniert er unterschiedliche Schnitttechniken, vor allem bei freien Wandarbeiten. Indem er seine Figuren mit Eisenoxyd schwärzt, unterstreicht er ihre graphische und silhouettenhafte Wirkung.
In der Ausstellung in der Kunststation Kleinsassen werden erstmals die Arbeiten von Emil Sorge und Frank Leske jeweils für sich zu erleben sein. Leskes Figuren und die Betrachter*innen werden aber auch in einen vielfältigen Dialog mit den Bildwelten Emil Sorges treten – im gegenüber und mittendrin.
Emil Sorge, 1957 in Stolberg-Breinig geboren, studierte 1975-81 an der Düsseldorfer Kunstakademie und war Meisterschüler bei Prof. Rissa. Er lebt und arbeitet in Stolberg-Breinig. Frank Leske, 1965 in Bad Kreuznach geboren, widmet sich seit 1990 der Bildhauerei. Er lebt und arbeitet in Bad Kreuznach.