Ausstellung vom 08.03.-31.05.2026 | Plastiken aus Papier, Zeichnungen auf Papier
Stille ist nicht Nichts. Sie hat ihre eigenen Gedanken, ihren eigenen Klang, ihre eigene Bewegung, ihren eigenen Atem. Alle Sinne sind angesprochen und konzentriert.
Still sind die menschlichen Figuren, die Annette Meincke-Nagy langsam Schicht um Schicht mit Zeitungspapier und Pulpe über einem Drahtgerüst aufbaut und modelliert. Auch die farbige Fassung mit gebrochenen Tönen hat nichts Lautes, ebenso wenig Mimik und Gestik. Zeitlos schön erscheinen die Physiognomien der introvertiert und dennoch hoch konzentriert wirkenden Männer und Frauen. Einige sind mit geschlossenen Augen und Lippen völlig in sich versunken, andere suchen mit wachem Blick, leicht geöffnetem Mund, sachter Kopfneigung und gelegentlich behutsamer Gestik einen leisen Kontakt zueinander und zum Betrachter aufzunehmen. Wie achtsam, wie behutsam ist dieses Miteinander angelegt, in aller Stille und doch vielsagend.
Stille ist nicht Nichts. Sie hat ihre eigenen Entscheidungen, ihren eigenen Rhythmus, ihre eigene Dauer zwischen Anfang und Ende, ihr eigenes Tun, ihre eigene Innerlichkeit.
Wo beginnt eine Linie, wo hört sie auf? Wo setzt die nächste an? Ist sie gerade? Gekrümmt? Gibt es Richtungswechsel? Sind es lange Striche, Häkchen oder Punkte? Wie groß sind die Lücken, wo die Öffnungen in den Zeilen, in den geometrisch wirkenden Konstellationen, im Gewirr der Schlangenlinien? Christiane Schlosser trifft solche Entscheidungen vorab, bevor sie mit Stiften oder Tusche ihre Zeichnungen beginnt. Dem getroffenen Konzept folgend überzieht sie die Flächen. Ein Beispiel: Zeile um Zeile füllt sie das Papier dicht mit Tuschlinien und hat vorher bestimmt, einmal (oder mehrmals) pro Zeile zu unterbrechen. Zeile für Zeile entscheidet sie neu, wo sie einmal (oder mehrmals) absetzen wird. Was zunächst wie weiße Punkte auf einer Farbfläche erscheint, erweist sich bei genauem Hinsehen als Zeilenlücken, als das Herausleuchten des hellen, nicht eingefärbten Grundes. Staunend verfolgt der Betrachter die konzentrierte Zeichenkunst, die aber fern jeden starren Schemas bleibt. Bewusst und getragen von meditativer Innerlichkeit entsteht das Miteinander der Linien oder Punkte.
Worüber sinnen Annette Meincke-Nagy und ihre Geschöpfe? Was bewegt Christiane Schlosser in und mit ihren Zeichnungen? Geht es nicht bei beiden um das Sein schlechthin, seine Sinnhaftigkeit, um Konstanten und Brüche, um Öffnen und Schließen, Neuanfang und Wiederkehr, um friedliche Zugewandtheit – in erfüllter Stille?
Annette Meincke-Nagy (1965 in Bonn geboren) wuchs in Dänemark, Frankreich und den Niederlanden auf und studierte in Lausanne, Budapest (1985/86 Hochschule für Bildende Künste), Hamburg (1986-91 Fachhochschule, Fachbereich Gestaltung, bei Almut Heise und Friedrich Einhoff) und Salzburg (1987 Sommerakademie, Malerei bei Johannes Grützke). Nach Diplomabschluss 1993 freischaffende Künstlerin in Hamburg, zeitweise Lehrtätigkeit an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (Fachbereich Gestaltung).
Christiane Schlosser (1960 in Viernheim geboren, in Mannheim aufgewachsen) studierte 1980-82 an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg (bei Gustav Kluge und Georg Möller) und 1983-86 an der Hochschule der Künste Berlin (bei Georg Baselitz). Es folgten später Lehraufträge an der Fachhochschule für Gestaltung Gestaltung Pforzheim und an der Hochschule für Künste Bremen. Sie lebt und arbeitet in Berlin.











